
Der erste Entwurf ist geschrieben. Herzlichen Glückwunsch! Aber wenn wir ehrlich sind: Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. Überarbeiten und Korrekturlesen sind die Prozesse, in denen aus einer Rohfassung ein richtig gutes Buch wird. Viele unterschätzen diese Phase – dabei liegt hier der Schlüssel zu einem Werk, das eure Leser*innen fesselt, überzeugt und im besten Fall lange im Gedächtnis bleibt.
Und genau an diesem Punkt beginnt für mich der Teil, den ich besonders liebe. So sehr ich das Schreiben mag – beim Überarbeiten tauche ich noch tiefer in die Geschichte ein. Ich sehe die Figuren noch klarer vor mir, spüre die Stimmung intensiver, verfeinere Dialoge, bringe Nuancen ein, die beim ersten Run oft noch fehlen. Es fühlt sich fast an, als würde ich mit jeder Korrektur noch enger mit meiner eigenen Welt verschmelzen.
Darum teile ich heute meine besten Tipps und Tricks, wie ihr das Beste aus eurem Manuskript herausholt – und diese Phase vielleicht genauso schätzen lernt wie ich.
1. Vorbereitung ist die halbe Miete: Plotten und Recherche
Was oft vergessen wird: Überarbeiten beginnt nicht erst nach dem letzten Satz. Je klarer eure Vorbereitung war – je gründlicher ihr geplottet, recherchiert und eure Figuren ausgearbeitet habt –, desto leichter wird es später, strukturelle Probleme zu vermeiden oder zu beheben.
Wenn ihr beim Schreiben bereits wisst:
- Welche Entwicklung eure Figuren durchmachen
- Wo die Geschichte beginnen und enden soll
- Welche Regeln eure Welt hat

… dann wird die spätere Überarbeitung keine Mammutaufgabe, sondern eher ein Feinschliff.
Natürlich können sich beim Schreiben Dinge verändern – aber je stabiler das Fundament, desto einfacher lassen sich Anpassungen vornehmen.
2. Abstand gewinnen: Lass dein Manuskript kurz ruhen
So verlockend es auch sein mag, direkt nach dem Schreiben mit der Überarbeitung zu beginnen: Gönn dir und deinem Text eine kleine Pause.
Abstand bedeutet dabei nicht, dass du dein Manuskript wochen- oder monatelang in die Schublade legen musst. Schon ein oder zwei Tage können Wunder wirken, wenn du dich in der Zeit mit etwas ganz anderem beschäftigst. Genau so wie ich gerade – während ich diesen Blogbeitrag schreibe.
Das hilft, den Kopf freizukriegen und beim späteren Lesen nicht mehr betriebsblind zu sein. Natürlich klappt das nur dann stressfrei, wenn keine Deadline drängt – aber wann immer es geht, gönn dir diese Pause. Du wirst merken, wie frisch und wach dein Blick danach ist.
3. Smarte Tools nutzen – und direkt beim Schreiben überarbeiten
Programme wie Papyrus Autor oder ähnliche Tools sind für mich aus der Überarbeitung nicht mehr wegzudenken. Sie zeigen dir Wortwiederholungen, lange Sätze oder unnötige Füllwörter an und helfen dabei, den Text klarer und eleganter zu gestalten.
Ich persönlich nutze diese Möglichkeit nicht erst ganz am Ende, sondern bereits beim Schreiben selbst. Mein Workflow sieht so aus: Ich schreibe die Kapitel in Word und überarbeite sie direkt kapitelweise in Papyrus, bevor ich das nächste beginne. Auf diese Weise glätte ich schon während der Entstehung die Sprache und vermeide, dass sich Fehler und Stilbrüche durch das gesamte Manuskript ziehen.

Das hat zwei große Vorteile:
- Ich bleibe nah an der Geschichte und ihren Details, weil die Überarbeitung direkt im Anschluss passiert.
- Ich schaffe mir selbst keine riesige Überarbeitungswelle am Ende, sondern arbeite kontinuierlich und entspannter.
Besonders hilfreich: In Papyrus könnt ihr nicht nur stilistisch arbeiten, sondern auch inhaltlich den Überblick behalten.
Die integrierte Figuren-Datenbank ermöglicht es, jederzeit auf wichtige Details wie Alter, Aussehen oder Hintergrund eurer Charaktere zuzugreifen. So vermeidet ihr Inkonsistenzen wie plötzliche Änderungen der Augenfarbe oder widersprüchliche Handlungen.
Ebenso praktisch ist der Zeitstrahl, der euch hilft, chronologische Fehler auszuschließen und die Ereignisse eures Buches logisch und nachvollziehbar anzuordnen.
So wird aus dem Rohtext nach und nach die Version, die dem Buch gerecht wird — stilistisch wie inhaltlich.
4. Perspektivwechsel beim Korrekturlesen: Medium wechseln oder vorlesen lassen
Wenn es an die abschließende Korrektur geht, ist eines besonders wichtig: Verändere deine Perspektive auf den Text.
Gerade nach vielen Stunden am Laptop wird man für Fehler und holprige Stellen irgendwann blind. Hier hilft ein ganz einfacher Trick: Lies dein Manuskript auf einem anderen Medium. Lade es auf einen E-Reader oder ein Tablet, oder drucke es sogar aus. Die veränderte Darstellung sorgt dafür, dass dein Gehirn den Text anders verarbeitet – und plötzlich springen dir Tippfehler, Dopplungen oder seltsame Formulierungen viel eher ins Auge.
Noch ein Gamechanger: Nutze die Vorlesefunktion deines Schreibprogramms oder eine App. Wenn dein Text laut vorgelesen wird, erkennst du sofort, wo Sätze holpern, Wörter fehlen oder Wiederholungen nerven. Besonders Dialoge lassen sich so hervorragend prüfen.
Mein Tipp aus Erfahrung: Kombiniere beides. Erst die Korrektur auf einem anderen Medium, dann Vorlesen lassen. So gehst du sicher, dass du deinem Text wirklich auf den Zahn fühlst.
5. Lass andere Augen drüber schauen – und wähle diese mit Bedacht
Egal wie gründlich du selbst liest, egal wie viele Runden du schon hinter dir hast: Irgendwann wirst du betriebsblind.
Du weißt genau, was auf der Seite stehen sollte – und liest es automatisch so, selbst wenn dort etwas ganz anderes steht. Genau deshalb sind Testleser*innen unentbehrlich.
Ich arbeite selbst seit Jahren mit einem großartigen Team von verlässlichen Leser*innen zusammen. Menschen, auf deren Ehrlichkeit ich mich absolut verlassen kann. Sie achten nicht nur auf Tipp-, Komma- und Grammatikfehler, sondern scheuen sich auch nicht, mich auf Denkfehler oder unstimmige Entwicklungen hinzuweisen.
Genau das ist entscheidend. Es nützt dir gar nichts, wenn Verwandte oder Freundinnen nach dem Lesen einfach nur schwärmen, obwohl es inhaltlich vielleicht noch hakt. Nett gemeinte Begeisterung bringt dich in dieser Phase nicht weiter. Was du brauchst, sind kritische Stimmen, die nicht davor zurückschrecken zu sagen:
- „Dieser Plotpunkt funktioniert für mich nicht.“
- „Die Figur handelt hier unlogisch.“
- „Die Szene zieht sich zu sehr.“

Solche Rückmeldungen sind Gold wert — auch wenn sie manchmal wehtun. Sie helfen dir, die Geschichte auf ein Niveau zu heben, das du allein oft nicht erreichst.
Kill your darlings gilt nämlich nicht nur für einzelne schöne Sätze, sondern auch für Szenen, die du liebst, die aber der Geschichte nicht dienen. Manchmal muss man bereit sein, diese loszulassen.
Neben klassischen Testleser*innen solltest du auch über Sensitivity Reader nachdenken – gerade, wenn du über Themen oder Figuren schreibst, die sensible oder marginalisierte Perspektiven betreffen. Sie helfen dir, blinde Flecken zu vermeiden und authentisch sowie respektvoll zu schreiben.
Mein Tipp: Such dir Menschen, die
- ehrlich, aber konstruktiv sind,
- keine Angst haben, auch Schwachstellen zu benennen,
- idealerweise deine Zielgruppe repräsentieren
- und bei Bedarf eine Sensitivity-Perspektive mitbringen.
Je vielfältiger dein Team ist, desto mehr wertvolle Perspektiven bekommst du auf dein Buch – und desto stärker wird es am Ende.
6. Lies dein Buch am Stück – als Leser*in, nicht als Autor*in
Wenn alle Überarbeitungen erledigt sind, empfehle ich dir, dein Manuskript einmal komplett am Stück zu lesen. Ohne Notizblock, ohne Stift, ohne den Drang, sofort zu verbessern. Lies es, wie eine Leserin oder ein Leser es tun würde. Lass die Geschichte wirken.

Warum?
- Du erkennst, ob der Rhythmus und der Spannungsbogen durchgehend tragen.
- Du spürst, ob sich Stellen ziehen oder zu abrupt wirken.
- Du bekommst ein Gefühl für die emotionale Tiefe und die Bindung zu den Figuren.
- Du merkst sofort, ob du irgendwo aus der Geschichte fällst oder stolperst.
Ich persönlich finde diese letzte große Leseschleife immer unglaublich aufschlussreich.
Gerade nach all den technischen und stilistischen Verbesserungsrunden ist dieser Perspektivwechsel enorm wertvoll. Er hilft dir, den letzten Feinschliff aus Lesesicht vorzunehmen und sorgt dafür, dass das Buch nicht nur gut geschrieben, sondern auch packend und rund erzählt ist.
7. Sei realistisch: Perfektion ist ein Mythos
Ein Text wird nie „perfekt“ sein. Irgendwann musst du entscheiden: Genug ist genug. Das Ziel ist ein Buch, das so gut wie möglich ist – nicht ein Buch, an dem du ewig feilst. Vertraue deinem Gefühl – und auf die Arbeit, die du in dein Projekt gesteckt hast. Manchmal ist es wichtiger, den Text loszulassen, als ihn endlos weiter zu polieren.
Fazit:
Überarbeiten und Korrekturlesen sind keine lästige Pflicht, sondern die Phase, in der Magie passiert. Hier formst du deine Geschichte, schärfst deine Sprache, gibst deinem Werk den letzten Schliff.
Für mich ist es die Zeit, in der ich meiner Geschichte am nächsten bin. Wenn alles zusammenkommt, wenn Figuren lebendig werden und Worte plötzlich genau so klingen, wie sie es sollen – dann weiß ich, warum ich schreibe.
Also: Ran an die Überarbeitung. Es lohnt sich – und du wirst dein Buch danach noch mehr lieben.
Happy Editing! ✨
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Die Autorin dieses Beitrags
Kirsten Greco
Kirsten Greco wurde in Iserlohn geboren und wuchs in Hagen auf – doch ihre wahre Heimat sind Geschichten und fremde Orte. Schon früh packte sie das Schreib- und Reisefieber, zwei Leidenschaften, die sie bis heute begleiten. Ob in den Straßen von Dublin, zwischen den Kanälen von Brügge oder mitten im australischen Outback – Bücher, Notizhefte und unzählige Ideen waren immer dabei. Kurz vor der Jahrtausendwende zog sie mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern nach Michigan, USA, wo sie zwischen endlosen Wäldern und den Großen Seen neue Inspiration findet. Fantasy ist ihre große Liebe – als Leserin genauso wie als Autorin, denn für sie gibt es nichts Besseres, als in fremde Welten einzutauchen und sie mit ihren eigenen Geschichten zum Leben zu erwecken.

