
Meinen ersten erfolgreichen Roman habe ich in der schwierigsten Phase meines Lebens geschrieben. Meine Tochter war damals noch kein Jahr alt, was bedeutet, dass ich – wie alle Eltern in dieser Zeit – sehr schnell begriffen habe, warum Schlafentzug auch als Foltermethode eingesetzt wird. Hinzu kam, dass meine Tochter sich irgendwie nicht wie in einem Film einfach ins Bettchen legen ließ und dort friedlich einschlief, sodass ich ein paar Stunden arbeiten konnte.
Nein. Sie wollte getragen werden, am liebsten den ganzen Tag. An Schreiben war daher nicht zu denken und mein frisch angefangener Roman lag monatelang brach.
Die Wende brachte ein Podcast
Oder mehrere, ehrlich gesagt. (Ich habe versucht, die genauen Folgen wiederzufinden, aber es ist mir nicht gelungen. Ich weiß aber, dass es die Interviews von Joanna Penn und die der Self Publishing Formula gewesen sein müssen.)
Dort war eine Autorin zu Gast, die erzählte, dass sie ihre Bücher einfach diktiert, während sie durch die Stadt läuft. Meine erste Reaktion war:
Wie soll das denn bitte gehen?
Ich konnte es mir schlichtweg nicht vorstellen, da das Schreiben für mich unmittelbar mit dem Tippen verbunden war. Ja, ich hätte sogar behauptet, dass das Tippen an der Tastatur mir beim Nachdenken half.
Ohne den Computer einen ganzen Roman zu schreiben … das war im ersten Augenblick absolut undenkbar. Gleichzeitig war es nun mal meine Crux, dass ich zwar SEHR VIEL Zeit hatte, in der das Baby im Tragetuch geschlafen oder zufrieden die Gegend angeguckt hat, aber zu wenig Zeit am Schreibtisch hatte. Kurzum:
Das Diktieren könnte all meine Probleme lösen
Und dann waren in den Podcastfolgen noch all diese anderen Argumente, die mich sehr neugierig gemacht haben:
- Man kann zum Beispiel schlichtweg sehr viel schneller sprechen, als man tippen kann. Es wurde von jemandem berichtet, der regelmäßig 10.000 Wörter pro Tag schafft! Mit dem gleichen Zeiteinsatz kann man also in einer Stunde Diktat auf ein Vielfaches an Wörtern kommen …
- Neue Techniken stoßen IMMER erstmal auf Widerstand. Es wurde von der Einführung der Schreibmaschine berichtet: Auch das war damals eine sehr große Umstellung, und viele Autor*innen haben sich zunächst gewehrt, weil sie fanden, dass man doch unbedingt mit der Hand schreiben müsse …
- Die Gesundheit. Dass viele von uns zu viel sitzen, ist ein Problem und das Diktieren ist eine wundervolle Möglichkeit, mehr Bewegung in den Schreiballtag zu bringen …
Nun gut, wen diese Argumente ebenfalls neugierig machen, der oder die fragt sich bestimmt:
Wie läuft das Ganze technisch ab?

Mittlerweile kann man seine Texte direkt ins Handy sprechen und die Software schreibt sofort mit. Man kann aber auch ein Diktiergerät benutzen und die Aufnahmen später von einem Programm wie Dragon Naturally Speaking transkribieren lassen.
Ich habe mich für Letzteres entschieden, weil ich gemerkt habe, dass mich eine direkte Transkription zu sehr ablenkt. Sobald ich die Wörter auf dem Bildschirm sehe, habe ich den Drang, sofort einzugreifen und zu korrigieren. Beim reinen Aufnehmen kann ich mich viel stärker auf die Geschichte konzentrieren und komme besser voran.
Natürlich muss die Transkription im Nachhinein überarbeitet werden. Aber erstaunlich viele Wörter werden schon sehr gut erkannt. Manche Ergebnisse sind übrigens so komisch, dass man sie gut auf Social Media teilen kann.
Hier ein paar Beispiele, wo Dragon mich nicht ganz verstanden hat:
- In der Villa setzte sich Konstantin auf das Sofa mit dem grünen Sandbezug.
- Sie hatte die verprügelten Hummeln aus den eisernen Eimern gesammelt.
- »Das Markt sein«, gab Frau Maader zu.
- Innerlich hatte Dorothea jubiliert, aber als Frau vom Stande wusste sie natürlich stets ihre Kontoloks zu bewahren.
- Kurz darauf schwangen beide Türhälften nach innen, ließen die womöglich jahrelang abgestandene Luft hinaus und sonnige Herzluft.
Trotzdem war ich von der Genauigkeit der Software sehr positiv überrascht – auch wenn manchmal absoluter Murks herauskommt. Man kann Dragon übrigens auch auf seine eigene Aussprache trainieren, um die Genauigkeit zu erhöhen. Diese Mühe habe ich mir ehrlich gesagt aber nie gemacht.
Praktische Tipps fürs Diktieren
Während ich mittlerweile auch so weit bin, dass ich ganze Romane diktieren kann, muss ich zugeben, dass der Anfang nicht leicht war. Diktieren ist anders, das lässt sich nicht leugnen. Man muss sich auf jeden Fall umgewöhnen. Aber ich habe hier ein paar Tipps für euch, die mir das Diktieren erleichtern:
- Beim Diktieren muss ich genauer wissen, was ich schreiben will, bevor ich anfange. Am Computer konnte ich mich einfach hinsetzen und ausprobieren, beim Diktieren funktioniert das schlechter. Inzwischen mache ich das zum Teil meines Diktierspaziergangs und plane gedanklich die ganze Szene, die ich mir für das Diktat vorgenommen habe, bevor ich mit dem Diktieren beginne.
- Die Pause-Taste ist dein bester Freund für den Anfang. Überleg dir 1-3 Sätze, nimm sie auf und drück wieder auf Pause, um die nächsten Sätze zu planen. Wenn ich an Stellen komme, für die ich noch etwas recherchieren müsste, spreche ich mir das einfach als Aufgabe ein und diktiere nur das Geschehen drumherum.
- Ich kann nicht diktieren, wenn ich das Gefühl habe, belauscht zu werden. Am besten funktioniert es, wenn ich allein unterwegs bin. Such dir also Zeiten oder Wege, wo du für dich sein kannst.
- Am Anfang habe ich Satzzeichen nicht mitgesprochen, weil es sich seltsam anfühlte. Aber das hat die Nacharbeit enorm verkompliziert. Nach und nach habe ich immer mehr Satzzeichen in das Diktat eingebaut und heute – nach 8 Jahren – bin ich so weit, dass ich gedanklich die Szene weiterplanen kann, während ich „Anführungszeichen oben“ sage. Bring dazu aber unbedingt Geduld mit.
- Es mag sich zunächst komisch anfühlen, aber mir hilft es total, wenn ich meine Szenen wie eine Art Hörbuch einspreche und den Figuren auch unterschiedliche Stimmen gebe. So versinke ich richtig tief in der Geschichte und beim Schreiben macht man das ja im Prinzip auch, wenn auch nur um Kopf. (Vielleicht versteht ihr jetzt, warum ich beim Diktieren am liebsten alleine bin.)
Warum für mich die Vorteile überwiegen
Mit dem Diktieren ist es mir also gelungen, dass ich trotz Baby und Schlafdefizit irgendwann eine Rohfassung hatte, ohne dass ich stundenlang am Schreibtisch sitzen musste.
Natürlich musste ich den Text stärker bearbeiten, als das, was ich klassisch getippt habe. Vereinzelt gab es auch Sätze, bei denen ich hinterher keine Ahnung hatte, was ich damit sagen wollte. Und ungewöhnliche Namen und sehr seltene Wörter werden fast immer falsch erkannt. Das sind Nachteile, mit denen man leben muss.
Trotzdem überwiegen für mich die Vorteile. Zum einen die weiter oben bereits genannten, zum anderen habe ich gemerkt, dass die Dialoge automatisch lebendiger klingen, wenn ich sie einspreche. Zudem komme ich inhaltlich oft auf ganz andere Ideen, als wenn ich am Schreibtisch sitze, und gerade Naturbeschreibungen funktionieren besonders gut, wenn man ohnehin draußen in der Natur ist. Lustigerweise komme ich auch schneller voran, wenn ich einfach die Szene einspreche, statt beim Tippen jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Manchmal denke ich beim Diktieren sogar noch: „O Mann, das klingt total bescheuert!“, aber später bin ich dann oft doch positiv überrascht.
Für wen lohnt sich das Diktieren?
Tatsächlich bin ich inzwischen so überzeugt, dass ich sagen würde: für alle! Probiert es unbedingt aus und gebt nicht zu schnell auf, Umgewöhnung braucht immer Zeit. Insbesondere ist das Diktieren aber für alle mit sehr wenig Zeit eine riesige Hilfe – oder eben für Menschen mir vorhandener Zeit ohne Schreibtisch. Neulich auf TikTok erzählte eine Autorin sogar, dass sie ihre Bücher während der Autofahrt diktiert.
Aber auch für Menschen mit gesundheitlichen Problemen, Vielschreibende, die zahlreiche Bücher pro Jahr herausbringen, oder wenn die Deadline schon wieder überraschend nah ist, kann ich das Diktieren nur empfehlen.
Ich für meinen Teil hätte zumindest ohne das Diktieren meinen ersten Roman wahrscheinlich nie fertiggestellt – was schade gewesen wäre, denn dieses Buch ist bis in die Amazon-Top-100 geklettert und hat mir den Weg als Verlagsautorin geöffnet. Denkt ihr, ihr werdet es mal probieren oder braucht ihr die Tastatur?
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Die Autorin dieses Beitrags
Rena Rosenthal
Bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete, arbeitete sie im Verlagswesen – unter anderem beim Oetinger Verlag und bei Bastei Lübbe. Heute ist sie neben ihrer Autorinnentätigkeit auch als freiberufliche Lektorin für Genreliteratur tätig. Ihre Schwerpunkte liegen dabei auf Dramaturgie, Figurenentwicklung und Exposé-Beratung.
Rena Rosenthal ist SPIEGEL-Bestsellerautorin verschiedener historischer Romane. Mit der erfolgreichen Hofgärtnerinnen-Saga und der Eispalast-Trilogie (Penguin Verlag) begeistert sie Leser*innen, die spannende Familiensagas lieben. Unter Serena Avanlea veröffentlicht sie zudem erfolgreiche Familiengeheimnis-Romane im Stil von Lucinda Riley im Selfpublishing.
www.herzensbuecher-lektorat.de


Hach, Diktieren! Der Versuch, meine inneren Monologe (die oft lauter sind als Frau Maader auf dem Markt) aufzuzeichnen, während ich auf dem Sofa mit grünem Bezug sitze, ist… bemerkenswert. Meine Software scheint Konstantin vor dem Sofa zu verwechseln, aber hey, wer braucht schon Satzzeichen, wenn man den Hummeln half? Ich bin gespannt, ob sie auch wundervolle Bewegung erkennt – meine Katze tut das jedenfalls oft, wenn ich aufhole. Aber für den Diktier-Spaß und das plötzliche Erscheinen von Ideen, während ich Hummeln rette, gebe ich das mal eine Chance! Vielleicht lernt die Software ja auch, meine Ideen nicht als absoluter Murks zu melden. Prost!
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